Samstag, 30. Juni 2007

Dienstag, 26. Juni 2007

Das Prinzip Laufen

Früher sprach man vom "Dauerlauf". das fing ungefähr so in der Sexta an, bei mir so auf dem Höhepunkt der sogenannten "Trimm-Dich-Welle, wo ein lustiges Männchen den Weg zu unzähligen Trimm-Dich-Pfaden in deutschen Wäldern wies, wo alle 200 Meter ein lustige Übung absolviert werden musste.

In der Schule machte mir das nicht sonderlich Freude, erst als ich in die Pubertät kam und vor lauter Kraft nicht wusste wohin, gewann ich Freude am Laufen und verbesserte meine bis dahin nur ausreichenden Sportleistungen auf ein "sehr gut", nachdem ich die Klasse im "Königsforst" an allen trimm-Dich-Pfad-Übungsposten vorbei locker distanzierte.

Folgerichtig schloss ich mich dem örtlichen Leichtathletikverein LAZ Bensberg an, wo ich bis zu drei Mal die Woche lief, sprang und spurtete und bis zum Abitur ein überdurchschnittlicher Allrounder im Mehrkampf wurde.

Geblieben ist das Laufen, das sich unabhängig vom Aufenthaltsort immer und überall mit geringen Aufwand betreiebn ließ. Sport- respektive Joggingschuhe - fertig!

Zu Bundeswehrzeiten 1983-1984 trat ich in ein Lauffernduell mit Jürgen über abgezirkelte Strecken im Wald an. Per im Hausbriefkasten eingeworfener Zettel teilten wir uns die aktuellen Bestzeiten mit. Zu einem direktem Laufduell über 5.000 Meter kam es nur einmal bei einem Bundeswehrwettkampf. 10 Runden war das Rennen ausgeglichen, dann machte sich bei Jürgen der gegen meinen Rat genossene Gulasch zwei Stunden zuvor eingenomme, hemmend bemerkbar und ich gewann unsere interne Meisterschaft locker.

Seit Beginn meiner Laufkarriere hielt ich meine Zeiten fest, wirklich alle! Kein Lauf blieb undokumentiert und in der langweiligen Zeit zwischen den Jahren zeichnete ich von Hand Grafiken, die meine Trainings- und Geschwindigkeitsfortschritte zeigten.

An technischen Verbesserungen gab es zuallererst das immer besser werdende Schuhmaterial. mein erster Schuh adidas trx, blaues Nylon mit signalgelben Streifen war der Beginn Ende der 1970er bis mit dem Aufkommen der Nike-Schuhe Anfang der 1990er das Angebot ganz neue Dimensionen bekam.

Zu Studienzeiten fand ich recht schnell Mitläufer, die entlang des Neckars oder später durch den Englischen Garten in München Kilometer in schnellem Tempo unter die Füße nahmen.

Meistens war das Laufen für mich aber ein Form der Entspannung, wo ich Gelerntes rekapitulierte, mein zukünftiges Leben erträumte oder eigenen Streckenrekorden hinterherjagte, um anschließend guten Gewissen im Biergarten die Maß zu stürzen.

Technisch verfeinerte sich in diesen Jahren die Stoppuhrtechnik, die umfängliche Zischenzeitnahmen ermöglichte und mir Futter für die Ausweitung meiner Statistikaufzeichnungen gab. 1987 im Spätsommer unternahm ich meinen ersten Marathon. In München wurde der olympische Marathon auf der Strecke von 1972 wiederbelebt mit Zieleinlauf im Olympiastadion. Nach einem eher unsystematischen Training bei allerdings guten Gesamtzustand schaffte ich die Strecke in nie mehr erreichten 3 Stunden 42 Minuten. Dann folgten allerdings die Examina, das Laufen wurde reiner Ausgleich zur sitzenden Tätigkeit und Fitnessunterlage für die regelmäßigen Kicks in der Allianz-Sportgruppe.

Nach meinem Umzug nach Köln 1993 tat ich mich mit dem Laufen schwer, weil das große Terrain des Englischen Gartens fehlte und der Beethovenpark und der Grüngürtel von vielen Straßen durchschnitten kein besonders geeignetes Umfeld darstellte. Dazu kam, dass mich nach Kennenlernen von Thea dann doch andere Themen mehr bewegten und für Sport nicht mehrt viel Zeit blieb. Erst 1997 fand zum ersten Mal ein Marathon in Köln statt, auf den ich mich recht unprofessionell, aber immer noch mit guter Grundfitness versehen vorbereitete und jedenfalls im ersten Teil ganz manierlich lief. In der zweiten Hälfte brach ich regelmäßig ein. Dennoch 1998 wiederholte ich das Experiment, 1999 lief ich in Berlin und 2000 bereitete ich mich ordentlich für die 3. Teilnahme in Köln vor. Aber eine Herzmuskelentzündung stoppte mich und ließ mich professioneller werden.

Den Wiederbeginn des Laufens 2001 stellte ich auf ein vollkommen neues Fundament. Mama schenkte mir zur Überwachung des Pulses eine Pulsuhr von Polar und ab dem 1.1.2001 zeicnnete ich nicht nur Zeiten, Daten und Anmerkungen auf, sondern auch meinen Ruhe- und Belastungspuls. So bekam ich ein Gefühl für den Körper und lief mich zugleich in einen Rausch, der zu über 1700 gelaufenen Kilometern führte. Zusammen mit Reiner lief ich 2001 den Köln-Marathon und konnte den Schwung meiner Laufleidenschaft auch in die kommenden Jahre mitnehmen. Freilich normalisierte sich das Pensum auf durchschnittlich etwas über 100 Läufe und rund 1200 Kilometer im Jahr. Zugleich erlief ich mir aber die gesamte Umgebung Bonns, den Kottenforst bis Adendorf und Heidgen und selbst das Vorgebirge bei den sogenannten longjogs in der unmittelbaren Marathonvorbereitung.

Eine neue Dimension bekam das Laufen aber mit einem Ansteckmodul für den Apple Digitalspieler iPod, das Nike+-Modul. Damit wurde für mich ein aufzeichnungstechnischer Traum war, den ich mir in meinen Statistikmalstunden zwischen den Jahren so noch nicht einmal erträumt hätte. Ein kleiner Sender am Schuh angebracht, misst die Beschleunigung des Schuhs nach dem Aufprall der Sohle auf dem Boden und sendet diese Daten an den mitgeführten iPod, der dann auf aktuelle Durchschnittsgeschwndigkeit, Zeit und Streckenlänge hochrechnet und anschießend zu Hause am Rechner in einer Grafik den Lauf im wahrsten Sinne des Wortes nachzeichnet.

Wow, dachte ich, als ich das das erste Mal am Bildschirm sah und fortan fehlte mein iPod bei keinem Lauf mehr seit dem 11. November 2006. Ob begleitet von Musik mit Kopfhörer oder bloß fest eingeschlossen in der Hand oder einer Tasche, ob wahlweise gecoached von einer Stimme, die Entfernung, aktuelle Geschwindigkeit oder Kalorienverbrauch ansagt oder nur begleitet von Musik, ein vollkommen neues Lauferlebnis war geboren. Die Daten der Läufe werden mit jedem Abgleich des iPod am Computer in eine Datenbank hochgeladen, wo jeder Läufer Teil einer großen Community wird und seine Fortschritte auch in virtuellen Wettkämpfen mit anderen teilt.

Laufen heute ist für mich die höchste Form der Entspannung. Die Kopfhörer lasse ich in der Regel zu Hause. Die Natur in ihrem Lauf verfolge ich in Form kleiner Anmerkungen in meinem Lauftagebuch: Der erste Schnee, der erste Kuckucksruf, Knospen, Blattfärbung, kreuzende Rehkitze, selbst Amseln, die am immergleichen Ort nach einem Weibchen Ausschau halten, habe ich so im Laufe der Jahre registriert. So verbinde ich mit jeder Laufkurve, mit jedem dazuaddierten Kilometer Erlebnisse, die dem Jahreslauf Profil geben und mich an Stimmungen erinnern.


Die Trimm-Dich-Pfade von einst, die Schilder mit den Übungsbeschreibungen waren vor Kurzem im Haus der Geschichte zu bewundern. Im Wald finden sich einige verwitterte Balancierbalken. Die Trimmgeräte, ob Mountainbike, ob Walkingstöcke werden von den Sportlern inzwischen selbst mitgebracht. Nur neulich fand ich in meiner alten Sportakte noch einen nicht zu Ende ausgefüllten Trimm-Dich-Pass. Naja, dachte ich mir, den kann ich guten Gewissens unausgefüllt wieder ablegen, mein Sportkonto ist voll.