Sonntag, 7. Oktober 2007

Zoo Fooß durch Kölle jonn - Köln Marathon 2007














Was soll ich nur anziehen?
Wie viele Marathons stand ich morgens vor dem Schrank und dachte , was ziehe ich nur an? Das "kleine Schwarze" schien nicht angemessen angesichts von Graupel, Regen und kühlen Winden. Anders diesmal. Seit Tagen war klar, dass kein Wölkchen den Himmel trüben würde und so war das Outfit schnell gefunden, kurze Hose, kurzärmeliges Funktionshemd, Käppchen, fertig.


Tags zuvor hatte ich mir meine Habseligkeiten für den nummerieren Plastiksack zusammengestellt. Im Laufe der Jahre bin ich ja ein wenig erfahrener geworden und habe mir einen Gürtel zum Anheften der Startnummer und Applizieren von sechs PatronenEnergiegel für unterwegs. Das Zeug schmeckt wahrscheinlich so, wie Astronautensteak in Tuben und ist eigentlich nur unter Belastung zu genießen. Dazu kommt noch ein Plastikumhang, damit man beim Stehen im Startblock in Rennkleidung nicht auskühlt, Vaseline, Pflaster und Massageöl, Mobiltelefon für die Vor- und Nachberichterstattung live vom Startundziel.

Plastiktütenmaakie
Am Morgen brachte mich Thea noch zum Bahnhof, von dort ging es mit dem von Sportlern und Angehörigen gefüllten Regionalexpress direkt bis zum Start am Deutzer Bahnhof. Vorbei an der Baustelle RTL-Messehallen zur neuen Messehalle am Rhein, wo sich auf den Plastikplanen die Läufer wie Aladin auf dem Teppich sitzend Brustwarzen verklebten, sich einölten und Vaseline verschmierten und letzte Bananen, Müsliriegel und Getränke verzehrten.

Eine sportlich gepflegte Schar temporär Obdachloser liefert denn seine Plastiktüte an nummerierten Tresen ab. Dort werden die Säcke nach Nummern notiert abgelegt und nach dem Rennen wieder ausgegeben. Dann setzt sich der Läuferstrom Richtung Startblöcke in Bewegung, schön nach Farben aufgeteilt, damit beim Start sich nicht gleich ein ganzes Läuferfeld von 14.000 Sportlern in Bewegung setzt.

Fliegen ist aller Laufen Anfang
Um 11.52 überquerte ich die Startlinie, ein Chip am Schuh sorgt für exakte individuelle Zeitmessung und über die Deutzer Brücke begleitet von den Höhnern "Wenn nicht jetzt, wann dann" geht es auf die lange Reise.


Zu Beginn fliegen die Kilometer an einem vorbei, 1, 2 3, 4, erste Verpflegungstelle, 5 km und schon bin ich das erste Mal am Rhein. In Bayenthal vornehm gewandtetes Publikum, ehe es bei den Markthallen sehr rustikal zugeht. Bei herrlichsten Wetter haben sich die Kneipenstammtusche am Straßenrand gut eingerichtet, dieKölschglaskränze rotieren. Am Volksgarten vorbei komme ich zurück zum Kölner Ring. Im Laufe eines Marathons entdeckt man in der Zuschauerschar wiederkehrend viele Gesichter wieder, vor allem an den auffällig gestalteten Transparenten. Der Klassiker Sprüche lauten "Quäl Dich, Du Sau", Helmut, Dein Bier wird warm", "Frühstart, alle zurück!", zum Teil aber auch ganze Romane, etwa, "Zeig mir, das Dein Wille stärker ist als ...", aber da war ich dann weg.

Emo(tional)- statt Epo-Doping
Der erste Stimmungshöhepunkt kam zwischen KM 14 und KM 15 in Sülz auf der Sülzburgstraße und der Berrenrather Straße. Dicht an dicht standen die Zuschauer meines Geburtsveedels, eine Band neben der anderen sorgt für eine grandiose Musikkulisse, die mich an meinem Geburtshaus vorbei Richtung Uni führe.


Nicht weit ist es mehr bis zur Dürener, an deren Ende Thea, Ella, Luis und meine Eltern warteten.




















Thea, die eigentlich fotografieren wollte, hat diesen Monent versehentlich mit der Kamera eingefangen, der das Durcheinander am Streckenrand ganz gut widerspiegelt.

Danach war ich in einem kleinen Laufrausch und lief recht zügig bei KM 18 an meinem neuen Büro vorbei, dann am Aachener Weiher munter zum Ring, wo es dann wie immer eng zuging, weil links und rechts ein frenetisches Publikum die Läufer Richtung Ziel weiterreichte.

Hölle des Nordens
Bei KM 28 beginnen meine Beine normalerweise zu protestieren, aber diesmal freute ich mich auf den etwas veränderten Streckenverlauf im Kölner Norden. Die Neusser Straße mit seinem bunten Nippesser Publikum, das aus tränensackschweren Gesichtern mit einem Döner in der Hand das Rennen traditionell sachkundig begleitete, war inspirierend und bei KM 30, direkt am Verlagsgebäude von DuMont war eine Menge los. Ich hatte es geschafft, auch diese 5km unter 30 Minuten zu absolvieren.

Die Rampe zur Zoobrücke ist immer eine Herausforderung aber nachdem diese bewältigt war, ging es Richtung Ebertplatz, wo Hipphoppmusik entgegenschallte und ich zum ersten Mal beim Trinken eine Gehpause einlegt. Endlich war der größtenteils wieder schattige Ring erreicht. Bei Starbucks saß man loungeisch am Straßenrand, die Karnevalsstaffel wurde von einem riesigen Festwagen aus koordiniert, obwohl die Koordinatoren keinen ganz verstandesscharfen Eindruck mehr vermittelten, und am Rudolfplatz wurde es wieder eng, während auf der Gegenseite der Besenwagen die ersten Läufer einsammelte und der Müll zusammengekehrt wurde.

Wie in Köln üblich hatten sich einige Mitläufer zum Teil mit aufwändige Kostümierungen den Lauf ein wenig beschwerlicher gestaltet. Die Schlafmütze gefiel mir am Besten, lief - glaube ich - im Wesentlichen mein Tempo, denn ich sah sie bis zumSchluss und kam auch ganz ausgeschlafen ins Ziel.
Foto: express.de













Am Neumarkt gab es zum letzten Mal Verpflegung für den Rest der Strecke von ca. 3km und so griff ich jetzt auch bei warmer Cola gerne zu, um mich dann nun deutlich langsamer geworden überSeverinsviertel Richtung Dom zu bewegen. Auf der Domplatte das bekannt muntere Treiben, ehe die angestrengte Muskulatur dann doch über das Kopfsteinpflaster amGürzenich noch einmal einem TÜV-reifen Belastungstest unterzogen wird und der Anstieg auf die Deutzer Brücke noch einmal die letzten Reserven herausforderte. Aber dann ging es ja nur noch bergab und mit 4'09:30 flog ich mit meiner drittbesten jemals gelaufen Zeit ins Ziel, bekam einen Glückwunschhandschlag desMarathondirektors Jürgen Rothers und ließ mir von meiner ehemaligen Sekretärin Frau Linn die Medaille umhängen.

Glücklich stürzte ich vier Becher Apfelschorle hinunter, nahm an der Beutelstelle mein Habundgut wieder entgegen, setzte mich auf den von germanwings gespendeten Plastikteppich und entledigte mich meiner etwas verschwitzten Läufergarnitur, um mich für die Siegerehrung in Lindenthal vorzubereiten.

Schnell fand ich eine Zug, der mich bis Kölnsüd brachte, wo mich Thea bereits erwartete. Herrlich, die Flasche Wasser war im Nu geleert und glücklich trat ich meinen Lieben entgegen.

Die Nachmarathonempfänge in Köln haben seit Christine und Martins Zeiten in Sülz Tradition und wurden 2001 erstmals begonnen. Nun sind nach dem Überkreuzumzug von Christine und den Eltern, Mama und Papa zum zweiten Mal Gastgeber.

In einer kleinen Feierstunde wurde das offizielle Siegerfoto genommen. Danke aber auch an die Eltern, die mich nicht nur mit einer kompletten und ausgewogenen Nachverpflegungbeköstigten, sondern aus gegebenen Anlass auch einen sportlichen Duft schenkten.













Achja. Der Tag danach

Ich durfte ausschlafen. Das war schon einmal ein Vorteil im Vergleich zu den Vorjahren. Im Bett noch wurden die Zeittabellen und die Telemetriedaten meines Laufsensors ausgewertet. Für Freunde des Laufsports natürlich ein Hort der Erkenntnis. Das wird dann aber an anderer Stelle, getrennt von diesem Erlebnisbericht betrachtet. Aber, wer sich für meine Laufkurve interessiert, hier ein schneller Blick. Zeigt die Kurve nach oben, bin ich schnell gelaufen... Naja. der Laie erkennt auch hier schnell, dass ich gegen Schluß ein wenig abgebaut habe. ;-)



Die nächsten zwei Wochen laufe ich nicht, sondern freue mich schon auf die schwarze Rutsche im Rheinbacher Schwimmbad und die Aquagymnastik.